31.1.06

„Hartmut und das Ende von Bonanza“ ID Pool # 31


Auch ein Freund namens Hartmut und ein Bonanzafahrrad sind nicht die Eintrittskarte zur Glückselligkeit, wie der Kommentar von Herrn Chancentod nahelegen könnte:

Hartmut habe ich an eine Evangelische Sekte („Mucker“?), bzw. an die Atomindustrie verloren (AKW Phillipsburg). Seine Berufsentscheidung habe ich mit einigem Magengrimmen hingenommen, denn falls es mal einen Störfall in diesem Atommeiler gibt, dann könnte das auf die sprichwörtliche Schlaksigkeit und Ungeschicktheit (Mr. Hulots Gliedmaßen waren kurz gegen Hartmuts Tentakel) zurückzuführen sein. Ich erinnere mich noch gut an eine Grillstelle, die mein stolzer Vater gemauert hatte, um darin die rotierenden Rollbraten in lauen Sommernächten mit einer unwiederstehlichen Kruste aus Selbstgezapftem zu veredeln.
Hartmut war zu Besuch und wollte die Qualität des Selbstgemauerten überprüfen. Anstatt vorsichtig mit spitzen Fingern zu tasten, kickte er schnellentschlossen mit einem seiner überlangen Beine dagegen.
Die Steine purzelten zu einem Haufen sinnlos dahingeworfener Bauklötze und Hartmut stolperte noch darüber, um die Röte in seinem Gesicht zu verbergen oder zu rechtfertigen.
Seit Hartmut in der Atomindustrie tätig ist, gab es nur einen GAU zu beklagen, aber ich hoffe, dass er an diesem nicht beteiligt war. Unsere Freundschaft verlief sich im Sande...

Mein Bonanzafahrrad habe ich zwei Jahre später (mit 9 Jahren) eingebüßt. Kurz vor meinem Elternhaus, das ich nach der Grundschule hungrig ansteuerte, lag ein Bahnübergang, den es zu überwinden galt, bevor man dann mit Schwung bis zur Hoftüre gelangen konnte. An diesem Tag nahm ich den Kampf mit einem 18 meterlangen LKW auf, der allen ernstes versuchte mich auf meiner Hausstrecke zu überholen. Als mir dann doch Bange wurde, weil ich mich wie eine Mikrobe gegen diesen Riesen ausnahm, tat der zu hoch geratene Bordstein seinen Anteil dazu, so dass ich in hohem Bogen mit dem Gesicht auf dem steinigen Asphalt neben der Fahrbahn bremste. Ich blieb bewußtlos liegen, während der LKW das Weite suchte. Eine Nachbarin trug mich nach Hause, von dort ging es mit dem Krankenwagen durch die Kleinstadt und der Idiot von Fahrer hätte beinahe noch meine Mutter auf dem Gewissen gehabt, die er zufällig in der Hauptstraße erspähte, in dem er sie mit heruntergelassenem Fenster anging: „Ich hab ihren Sohn hinten drin!“
Mein Bonanzarad hatte nach diesem Sturz irreparable Schäden und mußte einem roten Rennrad weichen.

Und was hat das alles mit ihrem Leben zu tun?
Schreiben sie endlich ihre Biographie? Und fangen sie gleich heute an, her mit den Kindheitserlebnissen, die bewahrt werden wollen - in spätestens 100 Jahren ist jede Erinnerung an sie weg!